Verlängert!
Finissage am 29.1.2012 um 12 Uhr

Im Atelier © Thomas Hampel

Lili Fischer - Spinnen im Moor

Neuer Worpsweder Kunstverein - vom 09.10. bis 29.1.2012
NWWK c/o Village Worpswede, Bergstraße 22, 27726 Worpswede

Geöffnet tgl. 10 - 20 Uhr
⇒ Öffentliche Führungen ab 30.11. - 5.12.  jeweils sonntags um 15 Uhr

Fünf gigantische Exemplare der Pholcus phalangioidis schweben von der Decke im hohen Lichtschacht über dunklen Torfbetten. Die langen dürren Beine der Großen Zitterspinne vibrieren bei kleinster Bewegung im Raum, werfen ihre Schatten auf Schnakengeister, Spinnenfriese und wandumspannende Fotografien vom Teufelsmoor... Lili Fischer hat den zarten Luftwesen und Bewohnern von Pflanzenhöhlen, Kellern und Gewölben mit einer Spannweite von drei Metern eine betörend-bedrohliche Gestalt verliehen. Seit 2000 hat sich die vielseitige Künstlerin der Insektenforschung verschrieben. Nach ihren spektakulären Ausstellungen über Nachtfalter in der Kunsthalle Bremen und der Werkgruppe Schnaken in der Hamburger Kunsthalle präsentiert sie nun erstmals ihr neues Spinnen-Projekt in der Premierenausstellung des frisch gegründeten Neuen Worpsweder Kunstvereins NWWK.

Zu den Spinnen- und Flügelwesen kam Fischer auf dem Wege ihrer Feldforschung. Seit den 70er Jahren erweiterte sie als erste bildende Künstlerin die Arbeitsweise der Ethnologie. Seitdem nähert sie sich immer wieder neuen Forschungsgegenständen mit allen Mitteln der Kunst - von Zeichnung, Objekt, Installation, Fotografie, Film bis hin zu Künstlerbüchern und poetischen Performances.

Mit ihrem neuen künstlerischen Ansatz überzeugte die Feldforscherin bereits Anfang der 80er Jahre die Barkenhoff-Stiftung Worpswede. Als erste Stipendiatin der Stiftung zog Lili Fischer ein Jahr lang täglich von Heinrich Vogelers Atelier im Barkenhoff aus ins Teufelsmoor, um die Jahrtausende Jahre alten Moorschichten zu ergründen. "Vor Ort entdeckte ich die Geheimnisse des Torfes, versuchte zeichnerisch und fotografisch die „Torfsprache“ zu entschlüsseln und erklärte das Torfstück als eine Art „Denkziegel“, um – darauf den Kopf gelegt - Jahrtausende zu durchdenken…" erzählt sie rückblickend.

Korrespondierend zu den schwebenden braunen Luftwesen, Zitterspinnengeistern aus gerissenem Japanpapier und Schnakenzeichnungen breitet Fischer jetzt im Untergeschoß der Galerie Village auch Auszüge aus ihrer Worpsweder Feldforschung über Moore aus. Etwa aus den „Torfnotizen“ ein sieben Meter langes Leporello mit Federzeichnungen und Torfabrieb, wandfüllend große Schwarz-Weiß-Fotos von Torflandschaften. Dazu gibt es Ausschnitte des legendären Video-Films: „Gang durchs Teufelsmoor“ mit Kamerafahrten über die Landschaft von früher und heute - ein Film, der in Zusammenarbeit mit dem Ornithologen und Poeten Georg Jappe entstanden ist und von ihm im 0-Ton kommentiert ist. In der aktuellen Worpsweder Inszenierung kann nun der Betrachter den Geheimnissen des Moores und der Großen Zitterspinne selbst nachspüren - sich zum Betrachten des Films auf eines der Torfbetten ausstrecken, mit einem Stück Schwarztorf unter dem Kopf der Vergangenheit und Tiefenstruktur der Moore und seiner Bewohner nachgehen und sich der eigenen Existenz besinnen, für die der Mensch soviel Platz beansprucht und das Moor bedroht. Der Teufel sei ins Moor zurückgekehrt, heißt es bei Georg Jappe im Film. Denkstücke der Lili Fischer...

Brigitte Garde

 

Lili Fischer 1947 geboren auf dem Priwall / 1966-73 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg/ 1970 Studienstiftung des Deutschen Volkes / 1978 Promotion über Animation, Universität Hamburg Feldforschung, Kölnischer Kunstverein / 1978 Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium / 1982-83 Barkenhoff-Stipendium, Worpswede / 1984 Von hier aus, Düsseldorf / 1984/85 Stipendium Künstlerstätte Bleckede / 1987 documenta 8, Kassel / 1989 Tree of life-Price, London, Deutscher Kritikerpreis, Berlin / 1994 Gabriele-Peters-Preis für phantastische Wissenschaft, Hamburg / seit 1980 Lehrtätigkeit an Universitäten und Akademien ( u.a. Essen, Mainz, Kassel, Frankfurt a.M., Berlin) / seit 1994 Professur für Feldforschung und Performance, Kunstakademie Münster / 2008 Kunstpreis der Schleswig-Holsteinischen Wirtschaft.